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Neue böse Wesen und so - Kapitel 12




In der Falle

Emil riss die Augen auf. Sein Herz hämmerte in seiner Brust.
Er lag auf dem Rücken und das über ihm war eindeutig seine Zimmerdecke. Er blickte sich um. Das war auf jeden Fall sein Zimmer. Immer noch etwas benommen richtete er sich auf, und versuchte sich daran zu erinnern, was er gerade noch gedacht oder viel mehr geträumt hatte. Warum war er so unruhig?
Mit beiden Händen fuhr er sich über das Gesicht, um seine Gedanken zu ordnen. Er war vollständig angezogen, trug immer noch Jeans und einen Hoodie. Warum hatte er sich nicht umgezogen? Nur langsam kamen die Erinnerungen zurück. Erst verschwommen, dann auf einen Schlag so klar, dass er hoch fuhr. Martin. Die Seher hatten ihn mitgenommen.
Hastig stieg er aus dem Bett und hastete nach unten. Die Seher hatten ihn gegen seinen Willen hergebracht. Sie hatten ihn aufs Bett gelegt und mit Magie zum Schlafen gebracht. Das hatte er nicht geträumt. Das war alles wirklich passiert. Er erinnerte sich wieder an alles.
Emil eilte an der Küche vorbei zur Haustür und griff nach der Klinke. Doch diese gab nicht nach. Ein paar mal rüttelte er daran, weil er nicht glauben konnte, dass sie wirklich zu war. Dann überlegte er fieberhaft. Wo war der Schlüssel?
Mehrmals atmete er tief ein um seinen rasselnden Atem zu beruhigen. Wovor hatte er Angst? Was würde er überhaupt machen wollen? Gegen die Seher hatte er keine Chance. Wie kamen sie überhaupt darauf, dass Martin der Nekromant sein könnte? Wer war dieser Noah?
Emil lehnte sich leicht gegen die geschlossene Tür. Martin hatte ihm etwas sagen wollen. Er hatte lange darüber nachgedacht, als er unter der magischen Kontrolle gestanden hatte. Aber was verdammt hatte Martin ihm sagen wollen? Er hatte gesagt, dass er glaubt, dass Hanna gelogen hatte. Aber womit? Hanna hatte gesagt, dass ein Mädchen dem Nekromanten geholfen hatte. Aber wo sollte sie da gelogen haben? Hatte Martin herausgefunden, wer der Nekromant war? Das alles ergab im Kopf keinen Sinn.
Aber, es war sicher kein Zufall gewesen, dass Elisa genau in diesem Moment aufgetaucht war. Da stimmte etwas nicht. Sie hatte ihn absichtlich zum Schweigen gebracht. Aber warum? Was bezweckte sie damit? War sie der Nekromant? Das konnte Emil sich nicht vorstellen. So falsch die Anschuldigungen gegen Martin gewesen waren, so plausibel hatten sie geklungen. Vielleicht hatte jemand Martin bei den Sehern angeschwärzt und Elisa tat nur ihren Job? Aber dann hätte sie ihn nicht zum schweigen gebracht. Das alles klang so sehr nach einem abgebrühten Plan.
Mit zittrigen Beinen ging er einige Schritte in die Küche und sah aus dem Fenster. Draußen erkannte er einen der Seher, der mit dem Rücken zu ihm stand. Emil erkannte ihn an seiner Statur, es war einer der beiden Männer von gestern und er bewachte scheinbar das Haus. Elisa hatte ihn hierher bringen lassen und der Typ draußen sollte scheinbar dafür sorgen, dass er das Haus auch erst einmal nicht verlassen würde.
Emil wich einige Schritte zurück und sah sich in der Küche um. Auf der Arbeitsplatte stand eine Schüssel und daneben eine Cornflakes-Packung. Unter der Schüssel klemmte ein Zettel. Emil trat einige Schritte näher, um ihn lesen zu können. „Bringe heute Abend Nachschub mit. Mama.“
Etwas enttäuscht stieß Emil die Luft aus. Das war nur eine ganz gewöhnliche Notiz. Seine Mutter musste schon bei der Arbeit sein. Deswegen war es auch so still im Haus. Beide seiner Eltern hatten scheinbar das Haus verlassen. Aber wie? War die Tür doch nicht von dem Seher verriegelt worden?
Mit schnellen Schritten hastete Emil zurück in sein Zimmer. Auf dem Boden fand er seinen Schlüssel. Dann zurück zur Haustür. Der Schlüssel passte. Aber er ließ sich nicht drehen.
Verärgert zog Emil den Schlüssel wieder aus dem Schloss. Sie hatten ihn wirklich hier eingesperrt.

Er hatte keine Ahnung, wohin er geben wollte oder viel mehr: wohin er gehen sollte, um den Sehern zu entkommen. Doch er wusste, dass er auf keinen Fall im Haus bleiben würde. Die Seher hatten ihn hier eingesperrt und er würde ihnen ganz sicher nicht den Gefallen tun, und hier bleiben. Irgendeinen Weg musste es doch raus geben. Wenn nicht die Tür, dann vielleicht die Fenster.
Doch auch die Fenstergriffe gaben keinen Zentimeter nach, als er daran rüttelte. Sie waren wie verklebt, auch wenn Emil mit aller Kraft an jedem einzelnen zog. Er hatte schon alle Fenster überprüft, sowohl im Erdgeschoss, als auch im ersten Stock.
Etwas verloren stand er nun in seinem Zimmer, vor der großen Fensterscheibe, die jetzt schon zweimal zu Bruch gegangen war. Warum nicht noch ein drittes Mal?, schoss es ihm durch den Kopf. Emil warf einen prüfenden Blick hinunter in den Garten. Von dem Seher war keine Spur zu erkennen. Scheinbar stand er vorne am Haus. Wenn Emil es geschickt anstellte, konnte er von hier vielleicht über das Vordach und die Garage entkommen. Doch er zögerte. Würde der Seher wissen, dass er gerade versuchte zu entkommen? Schließlich konnte er in die Zukunft sehen. Aber eine bessere Idee hatte Emil sowieso nicht.
Er betrachtete den Schreibtischstuhl, der neben dem Fenster stand. Die Wucht sollte ausreichen, um die Scheibe aufzubrechen. Doch ein Blick auf seine Füße verriet ihm eins: Er sollte erst einmal Schuhe anziehen.
Nachdem er seine Turnschuhe neben dem Bett eingesammelt und angezogen hatte stand er nun vor dem Fenster. Er atmete tief ein. Sowas hatte er noch nie gemacht und mittlerweile war er sich auch nicht mehr besonders sicher, ob das wirklich klappen könnte. Trotzdem hob er den Schreibtischstuhl an beiden Armlehnen hoch. Wenn das nicht klappte, dann hatte er auch keine Idee mehr. Dann holte er aus und schlug den Stuhl mit voller Kraft gegen das Fenster.
Der Aufprall war so heftig, dass er zurück geschleudert wurde. Sein Fall wurde nur von seinen Armen und dem Teppich etwas gedämpft. Es ging so schnell, das Emil kaum realisierte, was gerade passiert war. Seine Unterarme brannten, seine Hüfte schmerzte. Doch als er zum Fenster sah, war dieses immer noch vollständig intakt. Daneben lag der Schreibtischstuhl, dessen Lehne nun schief war und dem nun zwei Räder fehlten. Verdammt!, stieß er aus und rappelte sich auf. Er hatte überhaupt nichts erreicht. Rein gar nichts.
Vorsichtig schob er seine Ärmel nach oben und betrachtete die rote, geschürfte Haut darunter. Es fühlte sich schlimmer an, als es war. Doch wofür? Er war immer noch hier eingesperrt. Der Seher hatte ihn vollkommen in der Falle und es gab keinen Weg hinaus. Die Fenster waren versperrt, die Türe auch. Gegen so eine Magie konnte er niemals ankommen.
Das Geräusch einer Tür, die ins Schloss fiel, ließ ihn zusammen schrecken. Das war die Haustür. Waren das die Seher? Hatte der Seher seinen Fluchtversuch bemerkt? Hektisch sah Emil sich in seinem Zimmer um, nach einer Antwort, was er jetzt machen sollte, als er seinen Namen hörte.
Emil?“ Die Stimme klang nicht, als würde sie einem der massigen Seher gehören. Emil hielt inne.
„Emil?“, rief die Stimme erneut und Emil hatte das Gefühl sie schon einmal gehört zu haben. Vorsichtig schlich er in den Flur, nah an die Wand gedrückt, um nicht gesehen zu werden und lugte die Treppe hinter. Am Treppenabsatz stand seine Mutter. Oder vielmehr, jemand der wie seine Mutter aussah. Sie trug ein zu großes, graues T-Shirt, dass sie in ihre Jeans gestopft hatte, was sie mindestens 10 Jahre jünger aussehen ließ. So etwas würde seine Mutter nie tragen. Für einen Moment starrte er hinunter und in dem Moment bemerkte die Person ihn.
Sie sahen sich für einen langen Moment an, bis die Person ein DIN-A4 Blatt hervorholte auf dem mit dickem Edding geschrieben stand:
Ich bin nicht deine Mutter.
Das weiß ich auch“, entfuhr es Emil sofort.
Die Person verdrehte genervt die Augen und legte den Finger auf die Lippen. Dann winkte sie Emil zu sich heran.
Emil hatte keine Ahnung, was das alles zu bedeuten hatte. Doch ihm fiel nur einer ein, den er kannte und der so tun könnte als wäre er seine Mutter. „Cornelius?“, flüsterte er.
Die Person nickte eindringlich und winkte nun nachdrücklicher. Nur langsam ging Emil die Treppe hinunter. Er war sich nicht ganz sicher, ob das eine Falle war. Woher sollte er wissen, ob es wirklich Cornelius war? Aber wenn er es genau betrachtete, gab es für ihn auch keine wirkliche Alternative. Er würde nicht in diesem Haus eingesperrt bleiben. Er musste Cornelius oder wem auch immer einfach vertrauen.
Als Emil nah genug war, streckte Cornelius die Hand aus und drückte ihm einen kleinen Zettel in die Hand. Emil nahm ihn und begann zu lesen:
Ich bitte dich den Text schnell zu lesen, denn der Seher ist auf dich fokussiert. Sobald du es weißt, wird er es verhindern wollen.
Mehr stand nicht auf dem Zettel, Emil sah verwirrt zur Cornelius hinüber, der einige Schritte zurück zur Tür gemacht hatte und nun die Klinke in der Hand hielt. Er fing Emils Blick auf und raunte ihm nur ein Wort zu: „Rückseite.“
Beim Klang seiner Stimme war Emil sich sicher, dass es Cornelius war. Etwas irritiert drehte Emil den Zettel um auf dessen Rückseite nur drei Wörter standen:
Du wirst fliehen.
Was meinte Cornelius damit? Doch bevor Emil fragen konnte, hatte Cornelius die Tür aufgestoßen. Emil sah sich selbst in der Tür stehen in der gleichen Kleidung die gerade noch seine angebliche Mutter getragen hatte. Dann rannte Cornelius plötzlich los.
Was sollte das heißen? Emil war wie gelähmt. Doch dann verstand er plötzlich. Eine Ablenkung. Das war alles eine Ablenkung für den Seher. Er durfte keine Zeit verlieren.
Bitte war zwischen ihm und der offenen Tür keine unsichtbare Wand, die ihn wieder zurück werfen würde. Er beschleunige seinen Schritt, kurz vor der Tür kniff er für einen Moment die Augen zusammen. Doch nichts passierte. Er konnte einfach hindurch treten. Emils Herz machte einen Sprung und er rannte los. So schnell er konnte.
Den Seher und Cornelius konnte er nirgendwo sehen. Sein Blick war stur nach vorne gerichtet. Doch er hörte ihre Stimmen.
„Wie hast du es da raus geschafft? Bleib stehen!“
Emil konnte sich nicht umblicken. Er musste hier weg. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Seher den Schwindel bemerken würde.
Was ist das?“
Das Adrenalin trieb Emils Beine wie von selbst an. Er rannte, als würde es um sein Leben gehen. Die Seher durften ihn nicht kriegen. Er war bereits auf der Straße.
Ohne darauf zu achten, ob ein Auto kam, rannte er quer hinüber. Wohin er rannte, wusste er nicht.
Hinter sich hörte er den Seher immer noch rufen. „Bleib stehen!“
Jeden Moment rechnete er damit, dass seine Beine einfach aufhören würden zu laufen. Gestern hatte sie ihn noch vollkommen unter Kontrolle gehabt. Doch diesmal war es anders.
Er hatte keine Ahnung, was hinter ihm geschah. Sein Kopf war wie leer gefegt. Er musste hier weg, weg von dem Seher. Aber wie sollte er jemandem entkommen, der in die Zukunft sehen konnte? Wie sollte er ihn jemals zu Fuß abschütteln?
Emil keuchte vor Anstrengung. Lange würde er das Tempo nicht mitmachen können. Seine Brust fühlte sich an, als würde sie zerbersten.
Er hörte erneut ein Rufen, dann einen dumpfen Schlag.
Emil blickte nach hinten, konnte aber nichts erkennen. Er hatte keine Ahnung, ob der Seher direkt hinter ihm war oder nicht. Er schlug einen Haken nach rechts.
Die Angst gab ihm noch einmal einen Schub nach vorne. Aber er konnte nicht ewig rennen. Er musste einen Ausweg finden. Lange würde er das nicht durchhalten.
Der Asphalt knirschte unter seinen Schuhen. Er hörte Motorgeräusche. Dann sah er den Bus, der gerade auf der gegenüberliegenden Straßenseite anhielt.

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